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Statement zur „Kleinen Anfrage“ der CDU

Bündnis Herne am 30. März 2025

Die „Kleine Anfrage“ der CDU-Bundestagsfraktion vom 24.02.2025 zur Finanzierung von Vereinen aus Bundesmitteln hat große Aufregung verursacht, und das zu Recht!

Auch der Bündnis Herne e. V. bekommt einzelne Projekte aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ finanziert, das Finanzamt hat dem Verein die Gemeinnützigkeit bescheinigt. Dieser Angriff auf die Meinungsfreiheit und zivilgesellschaftliches Engagement für die Demokratie betrifft insofern auch uns!


Die „Kleine Anfrage“ erweckt den Eindruck, dass Steuergelder in großem Umfang zweckentfremdet genutzt werden und keiner Kontrolle unterliegen.


Die AfD und andere Akteur:innen im rechtsradikalen Spektrum verbreiten schon lange den Narrativ, Kundgebungen und Kampagnen gegen ihre undemokratischen Tendenzen würden von „der Regierung“ (also der „Ampel“) finanziert, um sie als politische Wettbewerber:innen kleinzuhalten. Darin enthalten ist die Unterstellung eines „tiefen Staates“ („deep state“). Die Bundes-CDU springt mit ihrer „Kleinen Anfrage“, in der von einer „Schattenstruktur“ die Rede ist, ohne Not auf diesen AfD-Zug auf.


Dass diese Unterstellung falsch ist, wissen wir aus eigener Erfahrung:

Wenn der Bündnis Herne e. V. ein Projekt über das Programm „Demokratie leben!“ finanzieren möchte, durchlaufen wir einen arbeitsintensiven Prozess aus Projektantrag, Prüfung, Bewilligung und einem abschließenden Sachbericht inkl. Verwendungsnachweis, selbst die Bezahlung der Rechnungen müssen wir belegen.


Die Bewilligung des Projektantrages ist an Bedingungen geknüpft, die sich aus der entsprechenden Förderrichtlinie des zuständigen Bundesfamilienministeriums ergeben. Die Förderung von Projekten, die sich gegen eine einzelne Partei richten, ist ausdrücklich ausgeschlossen. So mussten wir z. B. unsere Kundgebungen zum „Herner Versprechen“ aus eigenen Mitteln bzw. Spenden finanzieren, da sie ganz konkret gegen die AfD gerichtet waren.


Die Auswahl an Organisationen, die laut der „Kleinen Anfrage“ überprüft werden sollen, zeigt: Es wird mit zweierlei Maß gemessen, denn es wird nur nach Organisationen gefragt, die die CDU offenbar als „links der Mitte“ wahrnimmt.


Die „Kleine Anfrage“ wirkt daher wie ein Rachefeldzug gegen diejenigen, die es gewagt haben, die undemokratischen Tendenzen der CDU in der letzten Zeit aufzuzeigen. Statt sich inhaltlich mit der Kritik an den Abstimmungen im Bundestag Ende Januar auseinanderzusetzen, argumentiert die CDU jetzt plötzlich mit dem Gebot der politischen Neutralität für Organisationen, die aus Steuergeldern finanziert werden.

Dieses Gebot gibt es nicht: Auch Organisationen, die aus Steuergeldern finanziert werden und deren Gemeinnützigkeit anerkannt ist, dürfen sich im Rahmen ihres Satzungszwecks sehr wohl zu tagespolitischen Themen äußern. Ausgeschlossen ist lediglich die Förderung von Organisationen bzw. Projekten, die sich gezielt gegen eine einzelne Partei richten.

Im Übrigen war der CDU die „politische Neutralität“ derselben Organisationen so lange egal, wie diese gegen die AfD mobilisiert haben. Da hat sich die CDU sogar hier und da gern dazugesellt, um zu zeigen: „Wir sind nicht rechts, wir sind konservativ.“


Wir erinnern uns an die Proteste der Bauernverbände im Januar 2024: Massenweise fuhren Bauern mit ihren Traktoren nach Berlin fuhren, um gegen die Abschaffung von Steuererleichterungen zu demonstrieren. Kein Aufschrei bei der CDU gegen die missbräuchliche Nutzung des aus Steuermitteln subventionierten Diesels, der ausschließlich für die landwirtschaftlichen Tätigkeiten der Bauern gedacht ist – aber die Proteste richteten sich ja auch gegen die ungeliebte „Ampel“.

2024 hatten Bauernverbände zu einem Protest gegen den „Politischen Aschermittwoch“ der Grünen in Biberach aufgerufen. Aufgrund der Krawalle aus diesem Protest heraus musste die Veranstaltung aus Sicherheitsgründen abgesagt werden. Auch in diesem Fall gab es keine Forderungen aus der CDU, die Förderfähigkeit der beteiligten Verbände zu überprüfen. Die Ausschreitung richteten sich ja „nur“ gegen die Grünen.

In der „Kleinen Anfrage“ wird u. a. nach Förderungen der aufgeführten Organisationen durch verschiedene parteinahe Stiftungen gefragt. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung wird nicht genannt. Warum nicht? Fast schon witzig ist die Erwähnung der Erasmus-Desiderius-Stiftung – sie ist AfD-nah und finanziert ganz sicher keine „linke Agenda“.


Im Übrigen greift die CDU hier erneut ein Vorgehen der AfD auf, die bereits seit längerer Zeit AfD-kritische Vereine an die örtlichen Finanzämter meldet, mit dem Ziel, ihnen die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Auch im europäischen Parlament läuft gerade eine Kampagne gegen europäische Zivilgesellschaft. Parallel läuft übrigens im Europaparlament eine von der Europäischen Volkspartei (EVP) angezettelte Diskussion zur Finanzierung von NGOs, die sich dem Umwelt- und Artenschutz widmen, aus EU-Fördertöpfen. Dabei machen die Konservativen gemeinsame Sache mit den rechten und rechtsextremen Fraktionen. Ganz vorne mit dabei sind deutsche Abgeordnete von CDU und CSU.


Ihr Ziel: NGOs, die sich für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen, sollen die EU-Fördermittel nicht mehr für die Interessensvertretung gegenüber den EU-Institutionen nutzen dürfen und sogar bereits erhaltene Mittel zurückzahlen. Denn damit Umwelt-NGOs überhaupt gegen die finanzstarken Lobbyisten-Schwärme von Industrie und Wirtschaft ankommen, brauchen sie Unterstützung.


Die „Kleine Anfrage“ setzt somit auf parlamentarischem Weg die beleidigte Hetzerei von Friedrich Merz fort, der kurz vor der Bundestagswahl bei einer Veranstaltung der CDU/CSU all diejenigen, die gegen die CDU demonstriert haben, als „grüne und linke Spinner“ bezeichnete, die „nicht mehr alle Tassen im Schrank“ hätten. Seine Aussage, unter ihm würde wieder Politik für die Mehrheit der Bevölkerung gemacht, war sehr nah dran am AfD-Slogan „Wir holen uns unser Land zurück“.


Die „Kleine Anfrage“ delegitimiert zivilgesellschaftliches Engagement und bewirkt eine Verstärkung der Hetze gegen Initiativen, Vereine und engagierte Einzelpersonen.


Wie schon im Zusammenhang mit den Abstimmungen im Bundestag Ende Januar hat sich die Herner CDU hinter den Kurs ihrer Bundespartei gestellt.


Die Aussagen des Kreisvorsitzenden Christoph Bußmann in der WAZ vom 03.03.2025 werfen Fragen auf:

Grundsätzlich sollten Förderungen vom Bund überprüft werden, ob die Steuergelder vernünftig und zielorientiert verwendet wurden. Sollten sie zweckentfremdet werden, gehören sie überprüft, unabhängig von der Ausrichtung der NGOs. Hielten sich die Organisationen an den Förderzweck, hätten sie auch nichts zu befürchten.

Christoph Bußmann versucht hier offenbar, sich neutral zu geben und weder zivilgesellschaftlichen Organisationen wie dem Bündnis Herne e. V. noch der eigenen Partei auf die Füße treten. Mit seiner Aussage bedient er jedoch das gleiche Bild wie die „Kleine Anfrage“, die Förderung gemeinnütziger und anderer Organisationen unterläge bisher keiner Kontrolle.

Wir unterstellen ihm keine böse Absicht, seine Äußerung resultiert eher aus Unkenntnis über Förderprogramme und -strukturen. Das ist dennoch ärgerlich, denn der Inhalt der „Kleinen Anfrage“ war bereits Thema in dem Meinungsaustausch, zu dem sich der Kreisvorsitzende der CDU und seine Stellvertreterin Bettina Szelag erst kürzlich mit dem Vorstand des Bündnis Herne e. V. getroffen haben. Wir hätten daher eigentlich erwartet, dass Christoph Bußmann uns (oder jemand anders, der sich damit auskennt) vor dem Statement gegenüber der WAZ kontaktiert.

Wie wäre es stattdessen mit einem wertschätzenden Plädoyer für zivilgesellschaftliches, ehrenamtliches Engagement für die Demokratie gewesen? Das hätte der Herner CDU, die ja auch das „Herner Versprechen“ unterzeichnet hat, gut zu Gesicht gestanden.


In Abgrenzung zum Statement seines Gelsenkirchener Parteikollegen Sascha Kurth, der gegenüber der WAZ die scharfe Tonlage der „Kleinen Anfrage“ aufgriff, sagte Christoph Bußmann:

„Ich bin nicht Herr Kurth. In Herne gab es solche Fälle nicht. Ich würde auch nicht versuchen, das über die Presse zu lösen, sondern im konstruktiven Austausch mit Verwaltung und Politik.“


Wären wir „ein solcher Fall“, wenn unsere Kundgebung zum Jahrestag des „Herner Versprechens“ am 20.02.2025 deutlich CDU-kritischer ausgefallen wäre?


Es ehrt Christoph Bußmann natürlich, „solche Fälle“ nicht über die Presse lösen zu wollen.

Aber was verspricht er sich von einem „konstruktiven Austausch mit Verwaltung und Politik“ hierzu? Wäre ein direkter Austausch mit den „Fällen“ nicht zielführender?


Wir laden die Herner CDU gern zu einem Austausch über Förderstrukturen zur Unterstützung zivilgesellschaftlichen Engagements ein!


In einer demokratischen, vielfältigen Gesellschaft braucht es nicht nur linke Positionen, sondern auch anständige Konservative.


Deshalb hat der Bündnis Herne e. V. bislang immer deutlich unterschieden zwischen „rechts“ und „konservativ“.

Wenn sich die CDU jedoch weiter von der Mitte entfernt, wird es schwer, diesen Kurs aufrecht zu erhalten, den wir auch in unserer Rede im Rahmen der Kundgebung am 20.02.2025 verteidigt haben. Und die Mitte ist nicht automatisch da, wo die CDU steht.

Aber: Anstand heißt Abstand zur AfD!

Und mangelnder Abstand beginnt nicht erst bei einer Koalition mit der AfD.

Mangelnder Abstand beginnt mit der Übernahme von rechtspopulistischen Narrativen den entsprechenden Drohgebärden.

Unsere Messlatte ist das „Herner Versprechen“!


Eine kritische Zivilgesellschaft ist elementar für eine funktionierende Demokratie.


Gemeinnützige und auch aus Steuergeldern finanzierte Vereine und Organisationen müssen politische Entscheidungen anzweifeln dürfen und sich an Demonstrationen beteiligen können, ohne Angst vor staatlichen oder parteipolitisch motivierten Sanktionen.

Es darf in einer Demokratie nie passieren, dass die finanzielle Unterstützung demokratiefördernder Projekte von einer parteipolitischen Gesinnungsprüfung abhängt.


Der Bündnis Herne e. V. wird sich von solchen Angriffen auf die Meinungsfreiheit und zivilgesellschaftliches Engagement nicht einschüchtern lassen und seinen Einsatz für den Erhalt unserer Demokratie fortsetzen!

Wir erklären uns solidarisch mit allen namentlich in der „Kleinen Anfrage“ aufgeführten Organisationen sowie allen weiteren, die sich ebenso wie wir mitgemeint fühlen.


Zu nennen sind hier v. a. die „Omas gegen Rechts“, mit denen wir schon oft gemeinsame Sache gemacht haben, jedoch auch die Partnerschaft für Demokratie Herne (PfD), die den Bündnis Herne e. V. in den vergangenen Jahren mehrfach bei der Finanzierung von Projekten zur Demokratieförderung unterstützt hat – völlig förderrichtlinienkonform und transparent.


Im Übrigen haben wir in den letztem Tage sehr sorgfältig zu Hause nachgeschaut: Wir haben noch alle Tassen im Schrank.

Nachtrag: Inzwischen hat die Bundesregierung die Anfrage beantwortet: https://dserver.bundestag.de/btd/20/151/2015101.pdf

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