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Rückblick „Packt den Pott nicht an!“ 06.03.2022

Bündnis Herne am 14. März 2022

Unter dem Motto „Packt den Pott nicht an!“ hatten wir am vergangenen Sonntag (06.03.) zu einer Kundgebung Am Buschmannshof aufgerufen. Anlass war eine angekündigte Versammlung der „Querdenken“-Szene, für die ruhrgebietsweit mobilisiert worden war.

Das Bild, das sich uns bot, als der „Schwurbelzug“ an uns vorbeilief, mussten wir erstmal verdauen und einordnen – das ging vielen von euch wahrscheinlich ähnlich.

Da die Samstagsdemos mittlerweile ganz eingestellt worden waren und die „Montagsspaziergänge“ konsequent nur ein lächerlich kleines Trüppchen auf die Straße bringen, hatte wohl niemand mit einer solch großen Zahl an Teilnehmer:innen auf Seiten der Coronamaßnahmenverweiger:innen und Demokratiefeind:innen gerechnet.

 

Hier ein paar Gedanken unsererseits:

Allein schon der Titel der Veranstaltung „Der Pott ERWACHT“ beschwört Erinnerungen an Zeiten herauf, in denen „Deutschland erwachen“ sollte; dieser Bezug zur NS-Zeit setzte sich in der Aufmachung des Onlineflyers wie auch in den martialisch-aggressiven Mobilsierungsvideos fort.

Die Mobilisierung zu dieser Veranstaltung ist nahezu ausschließlich über die einschlägigen Telegramgruppen erfolgt. Es ist bekannt, dass diese Gruppen von „rechts außen“ orchestriert werden („Freie Sachsen“/“Freie Nordrhein-Westfalen“, „Die Rechte“, NPD, Afd, dieBasis). Das macht nicht zwangsläufig alle Teilnehmenden einer solchen Demo zu „Nazis“ oder „Rechtsradikalen“.

Aber: Wir können davon ausgehen, dass die allergrößte Mehrheit der Teilnehmenden in diesen Telegramgruppen auf die Kundgebung aufmerksam wurde, in denen von morgens bis abends Verschwörungserzählungen (häufig einhergehend mit antisemitischen Bezügen) und Falschinformationen geteilt werden, die immer unwidersprochen bleiben. Die Chatverläufe dieser Gruppen triefen von einem grundlegenden Misstrauen in Politik, Regierung, Institutionen etc.

Insofern können wir mit einiger Berechtigung festhalten: Wer da am Sonntag mitgelaufen ist, hat sich wissentlich in die Riege der Demokratiefeind:innen eingereiht und muss sich insofern nicht wundern, wenn er/sie auch als das bezeichnet wird.

Der demokratiefeindliche Tenor in den Chats fand seine Entsprechung während der Demo in den Durchsagen aus den Lautsprecherwagen und Megafonen wie auch in zahlreichen der mitgeführten Plakate (Beendigung des Staatsstreiches bzw. der hier herrschenden Diktatur, Falschinformationen zur Pandemie etc.).

Die in diesem „Aufzug“ versammelte Melange an Menschen gab ein skurriles Bild ab: Menschen, die eher dem esoterischen Spektrum zugerechnet werden konnten, tanzten durch die Straßen, neben/hinter sich Menschen in Tarnfleck oder mit Kriegsbemalung im Gesicht, dann wieder Menschen mit Friedensfahnen; dazwischen bekannte Rechtsradikale, Menschen aus den verschiedenen lokalen „Pegida“-Ablegern, und Reichsbürger:innen. Wie schon in anderen Städten liefen vermeintliche Pflegekräfte vorne weg; und die Herner Feuerwehr hat sich aufgrund eines Banners mit „Feuerwehrbezug“ zu einer scharfen Distanzierung genötigt gesehen. Auch die gezeigte „Antifa“-Fahne war schon bei einer früheren Gelegenheit als Fake enttarnt worden. Auch sogenannten „freie Linke“, die nichts mit der Partei DIE LINKE zu tun haben, zogen mit.

Russische Fahnen wurden ebenso geschwenkt wie ukrainische, auch gelb blaue Symboliken fehlten nicht. Diese widersprüchlichen Botschaften werden in der Bevölkerung als "wir sind die Mehrheit" wahrgenommen, ungeachtet der nicht miteinander zu verbindenden Botschaften.


Das sehen wir als gefährlich an.


Überall im Zug folgten Teilnehmende der Aufforderung der Veranstalter:innen, dem Gegenprotest „ganz viel Liebe“ zu zeigen – es war mehr als deutlich zu erkennen, dass die „Herzgesten“ bei vielen nicht ansatzseite von Herzen kamen, sondern nur der Provokation dienten.

Der karnevalsartige Charakter, den der Demozug teilweise hatte, stand in verstörendem Widerspruch zum Krieg gegen die Ukraine, der auch hier bei vielen als bedrückend und beängstigend wahrgenommen wird.

Im Angesicht eines Krieges vor unserer Haustür, der viele Menschen verschiedenen Formen von Gewalt aussetzt, ein solches Spektakel zu veranstalten, zeugt von genau der grotesken Ich-Bezogenheit, die wir von Anfang an thematisiert haben.

Während in Russland zahlreiche Menschen verhaftet werden, die trotz zu erwartender Repressalien gegen den Krieg auf die Straße gehen, schwenken die „Wahnwichtel“ in unseren Straßen russische Fahnen, feiern den Autokraten Putin und wähnen sich im „Widerstand“ gegen eine „Diktatur“. Es ist – mit Verlaub – zum Brechen!

Insofern sehen wir die Berichterstattung einiger Medien sehr kritisch: Es ist immer noch verharmlosend von „Impfgegner:innen“ die Rede. Wie wir schon mehrfach gezeigt haben, ist die möglicherweise anstehende Impfpflicht nur der Vorwand für rechtsradikeles oder anderweitig demokratiefeindliches Treiben. Es ist somit nicht zielführend, Teilnehmenden in Interviews auch noch die Gelegenheit zu Aussagen über ihre „Sorgen und Nöte“ zu geben, während es ihnen eigentlich nur um ihren eigenen Vorteil geht. Das unterstützt den gewollt harmlos aussehenden „Protest gegen die Zwangsmaßnahmen“ auf fahrlässige Weise!

Ein Wort zur Größe der „Schwurbeldemo“: Die Medien haben die Zahl der Polizei (3500 Teilnehmende) aufgegriffen – bei eigenen Zählungen kommen wir auf etwa 2200; das ist natürlich immer noch mehr, als die meisten erwartet hatten; rechnet man die Zahlen nun aber herunter auf das Ruhrgebiet, kommt man auf 40-70 Teilnehmende pro Stadt. Aus den Autokennzeichen rund um den Kirmesplatz wissen wir allerdings, dass die Mobilisierung auch Menschen außerhalb des Ruhrgebiets erreicht hat. Die wenigsten der Teilnehmenden kamen wohl aus Herne. Das zeigte sich dann auch beim nächsten „Montagsspaziergang“ durch die Herner Innenstadt – mit wieder einmal nur zehn Personen ganz sicher kein „Volksaufstand“.


Abschließend möchten wir aber den wichtigsten Punkt nicht vergessen:

Vielen, vielen Dank allen Menschen, die unserem Aufruf gefolgt waren, die am Friedensgebet, bei unserer zentralen Kundgebung Am Buschmannshof wie auch an den dezentralen Aktionspunkten an der Christuskirche und an der Flora-Marzina-Kreuzung (Schirme gegen Rechts) teilgenommen haben.

Vielen Dank an alle, die den Aufruf geteilt und uns auch sonst auf verschiedenste Weise bei den Vorbereitung und der Durchführung unterstützt haben, v.a. die Partnerschaft für Demokratie Herne (PfD).

Ein besonders dickes Dankeschön geht natürlich raus an die Redner:innen und Musiker:innen auf unserer Bühne: der Schorsch aus Bakau, die Glaubensgemeinschaften (die mit ihrem Statement nicht mehr zum Zug gekommen sind), die „Schirme gegen Rechts“, Stefan Marx (DGB), Knut Szmit (Witten) und Christoph Hövel (auch für seinen Beitrag zum Thema „Verschwörungsideologien“ war leider keine Zeit mehr). Die Beiträge, soweit sie uns zur Verfügung gestellt wurden, findet ihr hier auf unserer Web-Seite.

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