Blog-Layout

Rede des Schorsch aus Baukau (Jörg Höhfeld)

Bündnis Herne am 25. Februar 2025

Jörg Höhfeld - Der Schorsch aus Baukau

Tach, ich bin der Schorsch aus Baukau.


Ich glaub, ich hab mich vertan. Ich dachte, es ging hier ums Vorsprechen, aber es geht ja ums Versprechen, ums Herner Versprechen. Da kann man mal sehen, was ein Buchstabe ausmacht. Deshalb habe ich mir heute lieber alles auf einen Zettel geschrieben.


Aber wie immer: Es gilt das gebrochene Wort. Womit wir beim Thema wären.


Am 13.November 2024 sagte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz im Deutschen Bundestag: „Wir sollten vereinbaren, dass wir nur Entscheidungen auf die Tagesordnung des Plenums setzen, über die wir uns zuvor mit Ihnen von der SPD und den Grünen in der Sache geeinigt haben, sodass weder bei der Bestimmung der Tagesordnung noch bei den Abstimmungen hier im Haus in der Sache auch nur ein einziges Mal eine zufällige oder tatsächlich herbeigeführte Mehrheit mit denen da zustande kommt.“ Gemeint war die AfD.


Das war ein Versprechen. Oder doch nur ein Versprecher? Ein einziger Buchstabe macht ja den großen Unterschied. Denn der gleiche Friedrich Merz legte am 23. Januar 2025 einen 5 Punkte Plan zur Migration vor, den er als Antrag in den Bundestag einbringen würde. Und er fügt hinzu: Mir ist es völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht. Kompromisse sind zu diesen Themen nicht mehr möglich.“


Den Rest kennt ihr. Aber zum Thema Kompromisse in einer Demokratie fällt mir dann doch was ein.


Was passiert, wenn Kompromisse zwischen demokratischen Parteien, die ja Gegner sind und nicht Feinde, nicht mehr möglich sind?


Dazu gibt es ein interessantes Beispiel aus der deutschen Geschichte. Vor fast 95 Jahren, am 27. März 1930, trat der letzte vom Parlament gewählte Reichskanzler der Weimar Republik, der Sozialdemokrat Hermann Müller zurück. Er führte bis dahin eine Koalition aus SPD, Zentrum, BVP, DVP, DDP, die über 301 von 491 Sitzen im Reichstag verfügte. Die NSDAP hatte 12 Abgeordnete, weil sie zuletzt 2,6% der Stimmen bei der Reichstagswahl bekommen hatte.


Noch 15 Tage zuvor, am 12. März, war der umstrittene Young-Plan, der die Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg regeln sollte, mit der Mehrheit von immerhin 270:192 Stimmen angenommen worden.


Und kurz darauf zerbrach die Koalition.


Danach wurden die Reichskanzler vom Reichspräsidenten Hindenburg eingesetzt, nicht mehr vom Reichstag gewählt. Sie hießen Heinrich Brüning (Zentrum). Franz von Papen (Zentrum, parteilos) Kurt von Schleicher und Adolf Hitler (NSDAP).


Wir fragen uns heute, wie konnte das passieren?


Die Parteien der demokratischen Mitte waren nicht mehr in der Lage. Kompromisse zu schließen. Es ging um die Unterstützung der Arbeitslosen, um Haushaltslöcher, um Steuererhöhungen. Kommt euch das bekannt vor?


Die Wochenzeitung Tage-Buch schrieb damals, die DVP gehe allmählich aus der Regierung in die Opposition über. Und die Wirtschaftsverbände beklagten die vollständig verfehlte Wirtschafts- und Finanzpolitik der letzten Jahre. „Kompromisse helfen nicht mehr.“ Kommt euch das bekannt vor?


Nun wurde immer gesagt, Bonn sei nicht Weimar. Und das stimmte ja auch. Aber wir leben jetzt in der Berliner Republik und sagt man nicht auch: Berlin bleibt Berlin?


Geschichte wiederholt sich nicht 1:1. Aber vielleicht kann man doch aus ihr lernen. dass den Feinden der Demokratie nach und nach die Tür zur Macht geöffnet wird, wenn die Verteidigerinnen und Verteidiger der Demokratie mehr auf ihre Unterschiede als auf ihre Gemeinsamkeiten schauen.


Bei den Reichstagswahlen 1930 erhielt die NSDAP 18,3% und 107 Abgeordnete. Brüning regierte weiter mit Notverordnungen und einem rigiden Sparkurs. Es wurde immer mehr gekürzt. Immer weniger investiert. Die Lage wurde immer schlechter, der Ruf nach einem Führer immer lauter. Auf Länderebene gab es die ersten Regierungen von bürgerlichen Parteien mit den Nationalsozialisten. Wie konnte das passieren?

 

Die Brandmauer fällt nicht auf einmal. Sie bröckelt Stück für Stück.

Sie wird einstürzen, wenn nicht alle, die die Demokratie verteidigen, sie immer wieder aufbauen.

Wenn ein Stein rausfällt, müssen wir ihn zusammen wieder einsetzen: another brick in the wall.


Deshalb zum Schluss meine Bitte und Aufforderung: Auch wenn es vielleicht im Moment etwas schwerfällt. Lasst den Kontakt mit allen Demokraten, auch den christlichen und freien nicht abreißen. Schubst sie nicht in das Lager der Rechten, die nur darauf warten.


Lasst und zusammen Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Menschenwürde verteidigen:


Damit nicht eines Tages unsere Enkelinnen und Urenkel fragen müssen:

Wie konnte das passieren?

 

Bis die Tage.

Beitrag teilen über

Share by: